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Auf den Standpunkt kommt es an
*1813  †1837

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Friede den Hütten! Krieg den Palästen!

von Georg Büchner

aus ■ Das Buch der Deutschen
Der Dramatiker Georg Büchner (1813-1837) gilt mit seinen Werken "Dantons Tod", Woyzeck", Leonce und Lena" und "Lenz" als einer der großen Dichter des neunzehnten Jahrhunderts und als bedeutendster Autor zwischen Romantik und Realismus. Die sozialrevolutionäre Flugschrift "Der hessische Landbote" ist wohl der schärfste und glänzendste Text gegen die deutsche Reaktion, eine Empörung gegen soziale Ungleichheit.

Friede den Hütten! Krieg den Palästen!  - Schluss:

Hebt die Augen auf und zählt das Häuflein eurer Presser, die nur stark sind durch das Blut, das sie euch aussaugen und durch eure Arme, die ihr ihnen willenlos leihet. Ihrer sind vielleicht 10.000 im Großherzogthum und Eurer sind es 700.000 und also verhält sich die Zahl des Volkes zu seinen Pressern auch im übrigen Deutschland. Wohl drohen sie mit dem Rüstzeug und den Reisigen der Könige, aber ich sage euch: Wer das Schwert erhebt gegen das Volk, der wird durch das Schwert des Volkes umkommen. Deutschland ist jetzt ein Leichenfeld, bald wird es ein Paradies seyn. Das deutsche Volk ist Ein Leib ihr seyd ein Glied dieses Leibes. Es ist einerlei, wo die Scheinleiche zu zucken anfängt. Wann der Herr euch seine Zeichen gibt durch die Männer, durch welche er die Völker aus der Dienstbarkeit zur Freiheit führt, dann erhebet euch und der ganze Leib wird mit euch aufstehen.

Ihr bücktet euch lange Jahre in den Dornäckern der Knechtschaft, dann schwitzt ihr einen Sommer im Weinberge der Freiheit, und werdet frei seyn bis ins tausendste Glied.
​Ihr wühltet ein langes Leben die Erde auf, dann wühlt ihr euren Tyrannen ein Grab. Ihr bautet die Zwingburgen, dann stürzt ihr sie, und bauet der Freiheit Haus. Dann könnt ihr eure Kinder frei taufen mit dem Wasser des Lebens. Und bis der Herr euch ruft durch seine Boten und Zeichen, wachet und rüstet euch im Geiste und betet ihr selbst und lehrt eure Kinder beten: „Herr, zerbrich den Stecken unserer Treiber und lass dein Reich zu uns kommen, das Reich der Gerechtigkeit. Amen.“ Georg Büchner

Ich würde mir wünschen, dass alle Bürger, welche heute wegen verschiedener Probleme oder Mißständen (z.B. Klimapolitik, Waffenlieferungen, Wohnungsbaupolitik, Verkehrspolitik, Sozialpolitik, Kriminalität, Ausländer etc.) unzufrieden oder gar wütend sind, den nahezu 200 Jahre alten Text von Georg Büchners

 Friede den Hütten! Krieg den Palästen!

mit den Verhältnissen der Gegenwart vergleichen und entsprechend die Zielrichtung ihres Protestes auf Büchners Empfehlung hin neu interpretieren.  

Prinzipumkehr

"Friede den Hütten! Krieg den Palästen!" bedeutet vor allem die Umkehrung des leider weit verbreiteten Feigheitsprinzips "Nach oben buckeln und nach unten treten." Dieses Feigheitsprinzip wird besonders von pöbelhaften Anhängern rechter Partien, wie z.B. AfD, CSU und Freie Wähler angewandt. Sie sehen in den Ärmsten der Gesellschaft, z.B. den Flüchtlingen und Asylanten ihre Haupt-Wohlstandskonkurrenten, wogegen sie z.B. die hochbezahlten Fußballmillionäre als ihre großen Helden feiern. 

Die Feinde der Freiheit und der Gerechtigkeit sind nicht Ausländer, Asylanten, Flüchtlinge, Andersfarbige oder Bürgergeld-Empfänger in ihren Hütten, sondern überwiegend die superreichen Milliardäre und Multimillionäre inkl. ihrer politischen Handlanger in ihren gotteslästerlichen Palästen. Auffällig ist, dass diese politischen Handlanger der Superreichen weitgehend ebenfalls aus den rechten Parteien AfD, CSU, CDU, Freie Wähler inkl. der FDP kommen.

Die Allianz des rechtsradikalen Pöbels mit den Superreichen besteht natürlich nicht zufällig, sondern wurde und wird von den Superreichen einerseits durch hohe Bildungsschranken und andererseits durch eine ausgiebige ■ Brot & Spiele-Politik nach allen Kräften gefördert. Nur ein ungebildeter und damit ein unterhaltungs- und konsumbesoffener ■ Pöbel gefährdet nicht die Macht und Selbstbereicherung der Milliardäre und Multimillionäre.

Erich Kästner
*1899  †1974


Warum wollt ihr so lange warten
von Erich Kästner

Warum wollt ihr so lange warten,
bis sie eu​ren geschminkten Frauen
und euch und den Marmorpuppen im Garten
eins über den Schädel hauen?

Warum wollt ihr euch denn nicht bessern?
Bald werden sie über die Freitreppen drängen
und euch erstechen mit Küchenmessern
und an die Fenster hängen.

Sie werden euch in die Flüsse jagen.
Sinnlos werden dann Schrei und Gebet sein.
Sie werden euch die Köpfe abschlagen.
Dann wird es zu spät sein.

Dann wird sich der Strahl der Springbrunnen röten.
Dann stellen sie euch an die Gartenmauern.
Sie werden kommen und schweigen und töten.
Niemand wird über euch trauern.

Wie lange wollt ihr euch weiter bereichern?
Wie lange wollt ihr aus Gold und Papieren
Rollen und Bündel und Barren speichern?
Ihr werdet alles verlieren.

Ihr seid die Herrn von Maschinen und Ländern.
Ihr habt das Geld und die Macht genommen.
Warum wollt ihr die Welt nicht ändern,
bevor sie kommen?

Ihr sollt ja gar nicht aus Güte handeln!
Ihr seid nicht gut. Und auch sie sinds nicht.
Nicht euch, aber die Welt zu verwandeln,
ist eure Pflicht!

Der Mensch ist schlecht. Er bleibt es künftig.
Ihr sollt euch keine Flügel anheften.
Ihr sollt nicht gut sein, sondern vernünftig.
Wir sprechen von Geschäften.

Ihr helft, wenn ihr halft, nicht etwa nur ihnen.
Man kann sich, auch wenn man gibt, beschenken.
Die Welt verbessern und dran verdienen -
das lohnt, drüber nachzudenken.

Macht Steppen fruchtbar. Befehlt. Legt Gleise.
Organisiert den Umbau der Welt!
Ach, gäbe es nur ein Dutzend Weise
mit sehr viel Geld?

Ihr seid nicht klug. Ihr wollt noch warten.
Uns tut es leid, ihr werdet's bereuen.
Schickt aus dem Himmel paar Ansichtskarten!
Es wird uns freuen.

Heinrich Heine
*1797   †1856


Belsazar
von Heinrich Heine

Die Mitternacht zog näher schon;
In stummer Ruh lag Babylon.

Nur oben in des Königs Schloß,
Da flackerts, da lärmt des Königs Troß.

Dort oben in dem Königssaal
Belsazar hielt sein Königsmahl.

Die Knechte saßen in schimmernden Reihn,
Und leerten die Becher mit funkelndem Wein.

Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht;
So klang es dem störrigen Könige recht.

Des Königs Wangen leuchten Glut;
Im Wein erwuchs im kecker Mut,

Und blindlings reißt der Mut ihn fort;
Und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort.

Und er brüstet sich frech, und lästert wild;
Der Knechtenschar ihm Beifall brüllt.

Der König rief mit stolzem Blick;
Der Diener eilt und kehrt zurück.

Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt;
Das war aus dem Tempel Jehovas geraubt.

Und der König ergriff mit frevler Hand
Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand.

Und er leert ihn hastig bis auf den Grund,
und rufet laut mit schäumendem Mund:

Jehovah! dir künd ich auf ewig Hohn
-Ich bin der König von Babylon!

Doch kaum das grause Wort verklang,
Dem König wards heimlich im Busen bang.

Das gellende Lachen verstummte zumal;
Es wurde leichenstill im Saal.

Und sieh! und sieh! an weißer Wand
Da kams hervor wie Menschenhand;

Und schrieb, und schrieb an weißer Wand
Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand.

Der König stieren Blicks da saß,
Mit schlotternden Knien und totenblaß.

Die Knechtenschar saß kalt durchgraut,
Und saß gar still, gab keinen Laut.

Die Magier kamen, doch keiner verstand
Zu deuten die Flammenschrift an der Wand.

Belsazar ward aber in selbiger Nacht
Von seinen Knechten umgebracht.